brixen

Saniertes Rathaus eingeweiht

Bürgermeister Peter Brunner und der für öffentliche Arbeiten zuständige Stadtrat Thomas Schraffl feierten heute gemeinsam mit hunderten Bürgern und Ehrengästen die gelungene Erneuerung des historischen Gebäudes.

Von Willy Vontavon

Eigentlich sind Politik und Gemeindemitarbeiter bereits vor drei Monaten wieder in das Rathaus zurückgekehrt, aber trotzdem wollte Bürgermeister Peter Brunner nicht auf eine offizielle Einweihung verzichten - auch deshalb, weil man bei dieser Gelegenheit alle Bürger einladen wollte, im Rahmen eines "Tages der offenen Tür" die Räume zu durchforsten. Um 10 Uhr fand bei strahlendem Wetter der offizielle Festakt statt, bei dem sich Brunner und Stadtrat Thomas Schraffl  bei Alexander Gruber und Renato Sette bedankten, die die Arbeiten für die Gemeinde koordinierten, und bei allen Betrieben, die daran beteiligt waren. "Wir haben 5 Millionen Euro investiert", sagte Brunner, "aber das war auch notwendig, denn das Haus war etwas in die Jahre gekommen; vor allem entsprach es nicht mehr den Sicherheits- und Umweltstandards". 

Man könnte behaupten, dass sich die Geschichte dieses Hauses repetiert: Derzeit befindet sich Brixen in einer Phase des Aufschwungs, und die Gemeinde leistete sich für ihren Sitz eine längst fällige Renovierung. Auch vor mehr als hundert Jahren erlebte Brixen eine gute Zeit: Ab 1890 wuchs die Gemeinde maßgeblich, und auch damals leistete sie sich einen neuen Sitz. Dazu aber später.

Ende des 19. Jahrhunderts war das heutige Rathaus ein schlichtes Bürgerhaus mit einer Mehl- und Viktualienhandlung, die Joseph Oberhaidacher gehörte. Das Haus war lediglich zwei Etagen hoch. Dann kam k.k. Hofrat Ferdinand Kaltenegger nach Brixen – ein renommierter und entsprechend betuchter Wiener Landwirtschaftsexperte. Er erwarb 1895 das Gebäude und krempelte es in den folgenden Jahren um. Das Haus wurde um einen Stock erhöht, das Dachgeschoss erhielt einen Turm, der durch einen leichten Mauervorschub in der Hausfassade zum beherrschenden Stilelement der Südfront wurde. In jener Zeit erhielt das Gebäude auch die schöne Zinnenbrüstung – gemeinsam mit dem Turm heute das Wiedererkennungsmerkmal par excellence des Brixner Rathauses. Auf der obersten Zinne hat sich Kaltenegger übrigens verewigt: Hier prangt seit Anfang des letzten Jahrhunderts die verschnörkelte Initiale „K“.

Kaltenegger wollte das Haus im besten Sinne „veredeln“ – oder sollte man in diesem Fall eher von „veradeln“ sprechen? Das südliche Treppenhaus erhielt jedenfalls Ritterfresken und eine Scheinarchitektur mit efeuumranktem Mauerwerk, das durch entsprechend aufgemalten Ziegelrändern alt aussehen sollte. Viele Räume erhielten damals eine reiche Wand- und Deckentäfelung, so auch der spätere Gemeinderatssaal im zweiten Stock, den Kaltenegger als „Rittersaal“ konzipiert hatte. Auch die Türen und Türgriffe ließ Kaltenegger an spätgotische Vorbilder angleichen.

In jener Zeit erhielt das Haus auch einen Namen: Kaltenegger taufte es selbstbewusst „Schloss Taurenstein“ – in Anlehnung an Kärnten, wo er in den Tauern bereits ein Schloss besessen hatte. 1901 ließ Kaltenegger die Wände des zweiten Stockes mit Szenen aus der Brixner Stadtgeschichte schmücken – und verewigte sich ein zweites Mal: Im heutigen Amtszimmer des Bürgermeisters ist er auf einem Fresko im Kostüm eines Kreuzritters zu sehen.

Im Mai 1911 verstarb Ferdinand Kaltenegger im Alter von 68 Jahren. Seine Tochter Johanna Pejicic hatte überhaupt kein Interesse an dem Gebäude und bot es schon wenige Monate später der Stadt zum Kauf an.

Brixen befand sich immer noch in einer Phase des Aufschwungs, die erst fünf Jahre später, mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs im Jahr 1916, ein jähes Ende finden sollte. Die Büros der Stadtverwaltung befanden sich bis 1911 gegenüber, im Laubenhaus mit der heutigen Nummer 14, und die Gemeinderatssitzungen wurden in jenem Saal desselben Gebäudes abgehalten, der später nach dem Domprobst Adrian Egger benannt wurde. Die Räume waren den steigenden Erfordernissen der Stadtverwaltung nicht mehr gewachsen, weshalb das Angebot Pejicics zum goldrichtigen Zeitpunkt eintraf. Die Preisverhandlung zwischen dem Bürgerausschuss und der Erbin war entsprechend kurz; am 29. November 1911 wurde der Kaufvertrag unterzeichnet.

Für Brixen war dieser Kauf in mehrfacher Hinsicht ein Glücksgriff: Endlich verfügte die Stadtverwaltung über einen repräsentativen Sitz in absolut prominenter Lage, der mit seinen knapp 600 Quadratmetern Fläche noch dazu so groß war, dass er auch für zukünftiges Wachstum genügend Raum ließ. Der rechteckige „Rittersaal“ von Schloss Taurenstein eignete sich zudem wunderbar für die Ratssitzungen – viel besser als der Adrian-Egger-Saal. Am 27. Februar 1912 leitete Bürgermeister Otto von Guggenberg im Schloss Taurenstein bereits die erste Sitzung des Bürgerausschusses. Seither werden alle maßgeblichen politischen Entscheidungen der Stadt in diesen Räumen gefällt, und das Laubenhaus ist seitdem der Sitz der Gemeinde Brixen.

Dieser Sitz war letzthin, wie erwähnt, etwas in die Jahre gekommen – in jeder Hinsicht: Die Haustechnik war längst erneuerungswürdig, das Hausklima nicht mehr zeitgemäß. Im alten Rittersaal, in dem seit nunmehr hundert Jahren die Gemeinderatssitzungen stattfinden, herrschte bei manchen Sitzungen dicke Luft – nicht nur aufgrund der manchmal hitzigen Diskussionen. Vor allem aber war das Gebäude sicherheitstechnisch nicht mehr auf dem aktuellen Stand.

So entschied der Stadtrat bereits am 4. April 2012, das Rathaus einer ordentlichen Renovierung zu unterziehen. Damals rechnete man noch mit Kosten von etwa zwei Millionen Euro. Sechs Architekturbüros wurden zu einem Wettbewerb eingeladen, und bereits im September desselben Jahres erhielt das Bozner Studio CEZ der Architekten Carlo Calderan und Rinaldo Zanovello den Zuschlag, das Ausführungsprojekt zu erstellen, das in der Folge am 6. August 2014 mit korrigierten Gesamtkosten von 2,6 Millionen Euro vom Stadtrat genehmigt wurde.

Nach dem Wechsel der Stadtregierung wurde das Ausführungsprojekt noch einmal überarbeitet. „Wir waren zur Erkenntnis gelangt, dass es sinnvoll sei, auch die erste und zweite Etage in den Umbau einzuschließen, was vorher nicht vorgesehen war“, sagt Bürgermeister Peter Brunner. Die Kosten stiegen auf 3,5 Millionen Euro, aber zumindest hatte man nun die Möglichkeit, sämtliche neuen Installationen auf alle Räume auszuweiten. Die vorher angedachte Renovierung wäre wohl nur eine halbe Sache gewesen.

Beim Rundgang durch das „neue“ Rathaus fällt im Vergleich zur Zeit vor der Renovierung auf, dass die Räume vielerorts heller wirken: Überall dort, wo es möglich war, ersetzte man Mauern durch Glas. Auch das südliche Treppenhaus mit seiner außergewöhnlichen Scheinarchitektur wirkt nun heller, weil die Glaskonstruktion an der Decke erneuert wurde.

Der erste Eindruck, dass sich mit dem Umbau eigentlich nicht viel verändert hat, ist ein Beweis dafür, wie umsichtig man mit der Renovierung vorgegangen ist. Im Grunde aber ist hinter den Kulissen alles neu: Sämtliche Elektrokabel sind ersetzt worden, es wurden im ganzen Haus etwa 500 Netzwerkpunkte gesetzt, die Heizungsrohre und Heizkörper wurden natürlich auch erneuert, und manche Räume erhielten Lüftung und Kühlung. Wer jemals gebaut hat, weiß, was dies bedeutet: Haustechnik braucht Raum, den man im Grunde nur entweder in den Mauern oder im Boden findet. Im neuen Serverraum mitten im Gebäude bekommt man einen Eindruck dessen, wie viele Kilometer Kabel sich nun unter den neuen Eiche-Böden verbergen: Hier treffen sich in drei Serverschränken unter anderem alle 500 Netzwerkkabel.

Der ehemalige „Rittersaal“ wird auch in Zukunft die Gemeinderatssitzungen beherbergen. Allerdings wurde der Saal technisch auf den neuesten Stand gebracht: Endlich enthält er mehrere große Bildschirme, auf denen für die politischen Entscheidungen notwendige Dokumente abgebildet werden können. Die Gemeinderäte sitzen nun in einer Reihe an modernen und schlichten Tischen der östlichen Wand entlang, Stadträte und Bürgermeister sitzen ihnen gegenüber. Abgestimmt wird in Zukunft elektronisch, und, was sehr wichtig ist: Der Raum hat nun endlich eine ordentliche Kühlung und Lüftung.

Im Eingangsbereich des neuen Rathauses befinden sich ebenfalls mehrere Bildschirme zur Bürgerinformation, und jeder Raum verfügt am Eingang über ein Touchpanel, an dem man ablesen kann, was drinnen gerade stattfindet. Der Durchgang zwischen Lauben und Domplatz ist nun heller und freundlicher, die beiden Eingangstüren erhalten eine elektronische Steuerung, die am Morgen automatisch ein Öffnen ermöglicht. Die sechs Stadträte teilen sich im dritten Stock drei geräumige Büros; Bürgermeister und Vize-Bürgermeister sind im zweiten Stock untergebracht. Die Besucher müssen nicht mehr im Gang warten, sondern in jenem Raum, der bisher das Büro des Gemeindeboten war.

Der letzte Stock ist vollkommen neu: Dort, wo früher eine schon seit vielen Jahren unbenutzte Hausmeisterwohnung war, sind wunderbare neue Büros entstanden, deren antike Holzdeckenteile vorsichtig abmontiert und danach an der neuen Decke wieder angebracht wurden. Die Terrasse mit einmaligem 360-Grad-Rundumblick über die ganze Stadt ist nun ein Herzstück des neuen Rathauses: Hier werden in Zukunft Empfänge stattfinden – und Hochzeiten: Die ebenfalls holzgetäfelte wunderbare „Kapelle“ im höchsten Teil des Turmes, der bisher unbenutzt war, bekommt als Einrichtungsgegenstände lediglich einen Tisch und ein paar Stühle. Hier kann in Zukunft geheiratet werden, während die Gäste über die ringsum geöffneten Fenster der Zeremonie von der Terrasse aus beiwohnen können. Die Terrasse ist nun auch per Fahrstuhl barrierefrei erreichbar.

15. Februar 2020